Urheberrecht

Dieser Eintrag ist der längste geworden. Alle Autoren wollten dazu Stellung nehmen und wir haben sie hier unverändert veröffentlicht.

Anna Dremsek:
Der Begriff Urheberrecht ist hier und im folgenden Text geschlechtsneutral zu verstehen und meint sowohl Urheberrechte als auch Urheberlinke. (DA)

Clemens Wenger:
Die laufende Urherberrechtsdebatte ist für mich als Musiker und Komponisten ganz schön nervenaufreibend. Ich gestehe, dass ich nach dem Durchlesen von manchen Forums-Diskussionen zu diesem Thema schön ziemlich entmutigt und frustriert war. Was einem da an Hass und Unverständnis begegnet, lässt mich ziemlich zweifeln ob mein Beruf überhaupt noch gebraucht wird. Gibt es nicht eh schon genug? Und ist nicht eh alles gratis im Netz zu hören und zu sehen? Warum noch Neues schaffen wenn niemand dafür bezahlen will / kann / muss?

Ich denke viel darüber nach, hab aber noch keine abgeschlossene Meinung zu dem Thema. Das Problem ist komplex. Diese Homepage ist ein ganz gutes Beispiel. Die neue CD „Dekadenz“ von Studio Dan wird released und Daniel und ich entschliessen uns ein Internet Projekt zur CD zu versuchen. Wir wissen, dass mehr Kunstprojekte ins Internet gehören . Wir wollen für das Medium Internet etwas entwerfen. Die CD kauft sowieso niemand und dient eigentlich nur als Promotion Tool für Veranstalter und Medien. Aber das Publikum erreichen wir über andere Kanäle. Hauptsächlich natürlich über unsere Live-Konzerte, aber immer mehr übers Netz: Facebook, Youtube, HP, usw…

Auf dieser HP kann man die ganze CD „Dekadenz“ anhören. Ausserdem haben wir viel zu viel Information hier reingepackt, unsere Gedanken zur Musik, übers Leben, völlig Irrrelevantes … und natürlich Fotos und Videos. Inhalte die uns eigentlich nicht gehören, die man aber jeden Tag konsumiert. Wir wollen natürlich, dass sie hier länger verweilen, Informationen sammeln über unser Ensemble und die Musik anhören – vielleicht sind sie ja beim nächsten Konzert dabei! Dazu haben wir auch fremden Content eingebaut, Dinge die uns gefallen: Fotos von Komponisten und Musikern, Videos von Miles Davis über Frank Zappa bis zu den Foo Fighters. Soviel ich verstehe ist das eigentlich verboten?! Naja, sollten IHRE Werke hier zu finden, bitte melden Sie sich schnell und wir entfernen das.

Als Urherber will ich entlohnt werden für das Recht, das sich Dritte nehmen, meine Werke zu vervielfältigen, zu veröffentlichen und aufzuführen. Auf der anderen Seite mache ich jeden Tag das Gleiche mit fremdem Eigentum. Das Informationsangebot das mir heute zur Verfügung steht, sehe ich als große Errungenschaft unserer Zeit. Möglicherweise ist eine Kultur-Flatrate eine gute Lösung. Wenn der ORF seinen Kulturauftrag als öffentlich-rechtlicher Sender weiterhin nicht wahrnimmt, hab ich auch kein Problem damit, die GIS in eine Art „Kultursteuer“ umzuwandeln.

Eines muss ich hier auch noch loswerden: Für alle, die glauben dass die „Lehrkasettenvergütung“ oder auch die „Festplattenabgabe nur den Verwertungsgesellschaften zu Gute kommt – das ist falsch!  Ein ganz wchtige Einrichtung für uns KomponistInnen, MusikerInnen und Klein-VeranstalterInnen ist der SKE-Fonds, der sich aus den Einnahmen der „Festplattenabgabe“ lukriert. Der SKE-Fonds fördert so ziemlich alles, was nicht unter Hochkultur fällt, oder bei anderen Förderprogrammen auch keinen Platz hat. Ich weiß nicht, wie viele Projekte, CD-Aufnahmen und Kompositionen nicht möglich gewesen wären, ohne die Hilfe dieses Fonds – in meinem Umkreis tippe ich auf eine Förderquote von 85 %. Die Einnhamen des SKE-Fonds haben sich in den letzten 5 Jahren halbiert. Die Leute kaufen keine CD-Rohlinge mehr, sondern Festplatten. Die Festplattenabgabe ist aber kein EU Gesetz, sodass Kunden einfach billige Festplatten über Amazon aus Deutschland bestellen. Es trifft uns wirklich. Laut Prognose hat der SKE-Fonds 2015 kein Geld mehr. Das ist SEHR schlecht für die heimische Kulturlandschaft und trifft vor allem die neueste Generation an Kreativen, denen dann gar keine Starthilfen mehr zur Verfügung stehen.

Natürlich gibt´s auch hier Gegenwind. Nicht jeder kopiert fremdes Eigentum und möchte pauschal kriminalisiert werden. Ja, stimmt. Aber: nicht jeder wird operiert, ist laufend krank und benötigt ärztliche Hilfe, nicht jeder fährt mit der Bahn, nicht jeder benutzt alle Gehsteige, nicht alle studieren, nicht alle nehmen Arbeitslosengeld in Anspruch, nicht jeder kann Agrarförderungen beantragen, nicht alle bekommen Kindergeld, etc….. Die Förderung von Kunst ist ein elementarer Teil unserer Kultur! Wir brauchen Rechtssicherheit. Ich kaufe noch CD´s und Schallplatten, sogar MP3´s kaufe ich oft über I-Tunes, mache verhältnismäßig wenige Raubkopien. Aber meine Festplatten sind auch voll von Musik, Filmen, Programmen die ich nicht bezahlt hab, nein ich hab mit FreundInnen getauscht, sog. Privatkopien angefertigt. Sowie wie früher auf Kasette oder CD-Rohling. Den Computer hab ich in Amerika gekauft – ich Trottel. Kein Groschen davon ging an den SKE-Fonds.

Naja, ich werde das hier nicht lösen und ich bin noch nicht einmal zu den wirklich interessanten Punkten in dieser Debatte vorgedrungen. Aber: Schön wär´s wenn alle Gescheiten dieses Landes mithelfen würden Lösungen zu finden. Ich bin kein Großverdiener und hab trotzdem schon für fast 40 Benefizveranstaltungen gratis gespielt. Nun wünsch´ ich mir Hilfe für unseren Berufsstand. Liebe PolitikerInnen, RechtsanwältInnen, ErfinderInnen, PR-KampagnemacherInnen, WünschelrutengängerInnen und alle, die ihre überschüssige Energie nicht in Diskussionforen in Müll umwandeln sondern wirklich aktiv helfen wollen! Her mit den Ideen! Das Urheberrecht gehört erneuert! (CW)

Daniel Riegler:
Unser Wohlstand wird permanent von unserer Gemeinschaft als steuerzahlende Gesellschaft generiert und erhalten. Das ist für uns in vielen Bereichen so selbstverständlich, dass wir es nicht mit der Urheberrechtsdebatte in Verbindung bringen. Wir entscheiden uns als Kollektiv für: Verkehrsinfrastruktur, öffentlichen Verkehr, Spielplätze, Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, Kindergärten usf. Für den Erhalt dieser mehr oder weniger Gewinn bringenden Einrichtungen zahlen wir als Steuerzahler und stellen uns diese „gegenseitig“ zur Verfügung. Dabei ist zu bedenken, dass nicht jeder alle diese Einrichtungen je in gleichem Maße nützt. Wer sie nützt zahlt in den meisten Fällen darüber hinaus noch eine „Benützungsgebühr“ (Autobahnvignette, Krankenhausselbstbehalt, Kindergartenbeitrag, Fahrschein, Eintrittskarte…)

Wieso ist es in Sachen geistigen Eigentums und der neuen Art diese zu verbreiten und zu benützen so schwer diese uns selbstverständlichen Mechanismen zu übertragen?
In diesem Falle würde es heißen: Alle bezahlen für die „Infrastruktur“ (das ist in dem Fall aber nicht der Internetanschluss, denn dieser ist in der Analogie von oben ja z.B. das eigene Auto), d.h. die pauschale Absicherung urheberrechtlicher Ansprüche und Sicherstellung der allgemeinen Kulturgüterproduktion. Wer darüber hinaus konkrete Inhalte benützt, bezahlt dann dafür den „Marktpreis“.

Eine  Analogie: Wir alle bezahlen, dass es Autobahnen gibt (also die Infrastruktur zur Schaffung immaterieller Güter) und sie gewartet werden (Weiterentwicklung usf), wer sie benützen will oder muss, braucht dazu ein Auto (Internetanschluss, Fernseher usf.) und eine Vignette (Downloadpreis eines Files).
Damit sind viele oft diskutierte Aspekte der Debatte abgedeckt:
1) Es gibt Rechtssicherheit der User (niemand wird unter Generalverdacht gestellt, niemand muss kontrolliert werden), es würde ja auch niemand auf die Idee kommen zu sagen: weil wir alle für die Öffis Steuer zahlen, stehen wir alle unter Generalverdacht Schwarzfahrer zu sein.
2) Die Infrastruktur für eine Kunstproduktion abseits des Vermarktbaren ist gewährleistet.  Dass die Wichtigkeit dieser Sache keine Selbstverständlichkeit ist, ist unverständlich, wenn man bedenkt wie viele massenhaft produzierte und massiv gewinnbringende Kulturgüter  und Wohlstandstrophäen immer und ausschließlich auf die ersten Ideen extremer Visionäre zurückgehen. (Da rufe man sich die ganze Geschichte der Computerindustrie und des Internets ins Gedächtnis um zu sehen, dass Ideen in erster Instanz nicht ihre „Vermarkbarkeit“ unter Beweis stellen müssen, um genau dies später einmal in extremen Maße zu sein, und ja: diese Beispiele kann man auch für ganz außergewöhnliche Kunst finden.)
3) Massentaugliche Waren werden darüber hinaus um ihren Markwert gehandelt. Also auch dieser Aspekt ist in dieser Überlegung abgebildet.

Gefährlich ist es die gesamte Debatte mit einer Debatte über Sicherheit zu verknüpfen. Sowohl auf rechter wie auf linker Seite der Diskussion gibt es möglicherweise legitime Interessen diese im Internet zu gewährleisten. Allerdings hat dies NICHTS mit der Diskussion über geistiges Eigentum und unser Recht auf eine aufrechte und weiterentwickelte Kulturgüterproduktion zu tun. Im Sinne unseres allgemeinen und gemeinsamen Wohlstands. (DR)